Dienstag, 1. November 2016

Koalitionsvertrag jetzt erfüllen!

Der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) bekräftigt in einem Schreiben an alle Bundespolitiker die Notwendigkeit, das Urheberrecht auch für E-Books gesetzlich zu regeln - wie es im Koaltionsvertrag eigentlich vorgesehen ist.

Schon seit langem beklagen Bibliotheken, dass deren Bestandsaufbau bei E-Medien vom Gutdünken
der Verlage abhängig ist: Weil einige Verlage sich weigern, eine Ausleihlizenz für einzelne Titel oder gar die gesamte Verlagsproduktion zu vergeben, dürfen die Öffentlichen Bibliotheken so manchen aktuellen Buchtitel überhaupt nicht als E-Book anbieten.

Eine aktuelle Entwicklung bereitet uns weitere Sorgen: Zwei Verlagsgruppen verlangen für Ihre E-Books von den Bibliotheken den zweieinhalbfachen Ladenpreis ... und das für maximal 52 Ausleihen! Die erst kürzlich beschlossene Preisbindung soll nach Ansicht dieser Verlage also nur in eine Richtung gelten -  und nach oben ist der Preis offen?

"Diese Lizenzbedingungen erschweren es den Bibliotheken erheblich, ihre Aufgaben als Kulturvermittler und Anbieter aktueller Informationen zu erfüllen", schreibt der dbv. Hier das vollständige Schreiben:

Gesetzliche Regelung für E-Books in Bibliotheken

aus aktuellem Anlass bekräftigt der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv) erneut seine Forderung, für den Verleih von E-Books in Öffentlichen Bibliotheken eine entsprechende Änderung des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) vorzunehmen. Auch geht es hierbei um die Festlegung einer angemessenen Vergütung. Bislang erfolgt für den Verleih und die Kopie von physischen („körperlichen“) Medien in Bibliotheken die Ausschüttung der sog. „Bibliothekstantieme“ für Autoren (und Verleger) nach einem gesetzlich geregelten Verfahren. Dieses System, das seine rechtliche Grundlage in § 27 des Urheberrechtsgesetzes hat, sollte nach Auffassung des dbv auch auf die elektronischen („nicht-körperlichen“) Werke erweitert werden, so dass die elektronische Ausleihe für alle Beteiligten (Autoren, Verlage, Bibliotheken) adäquat gestaltet werden kann.

E-Books werden für den Einsatz in Bibliotheken nicht „gekauft“, sondern es werden für diese Zwecke von Verlagen nur Nutzungsrechte erworben, sie werden lizenziert, indem Bibliotheken eine Lizenzvereinbarung abschließen. In Deutschland lizenziert und kumuliert u.a. die divibib GmbH für Bibliotheken die E-Books von den Verlagen, lizenziert diese an Bibliotheken und stellt die E-Books auf ihrer eigenen Plattform bereit. Dieses ist das in Deutschland zurzeit meist genutzte Modell für Öffentliche Bibliotheken.

Erstmals konnte die divibib GmbH in diesem Jahr mit den Verlagsgruppen Holtzbrinck und Bonnier E-Book-Lizenzen abschließen. Sie hatte seit mehreren Jahren mit beiden verhandelt, um den Bibliotheken Lizenzen für E-Books dieser Unternehmen anbieten zu können. Dies war ein lang gehegtes Desiderat vieler Bibliotheken, da sowohl Holtzbrinck als auch Bonnier wichtige Publikumsverlage in ihrem Portfolio haben.

Jedoch sehen die nun ausgehandelten Lizenzen vor, dass der Preis, den die Bibliotheken für E-Books dieser Verlagsgruppen zu zahlen haben, um das 2,5fache höher liegt als der Preis für Bibliothekslizenzen anderer Verlage oder für den Endkundenmarkt. Zusätzlich begrenzt die Lizenz die Nutzung durch die Bibliothek für entweder 4 Jahre bzw. maximal 52 Ausleihen. Diese Lizenzbedingungen erschweren es den Bibliotheken erheblich, ihre Aufgaben als Kulturvermittler und Anbieter aktueller Informationen zu erfüllen, da damit die finanziellen Möglichkeiten der Bibliotheken unangemessen strapaziert werden. Diese Bedingungen können nicht mehr im Sinne einer fairen Partnerschaft zwischen Bibliotheken und Verlagsbranche gewertet werden.

Diese von den beiden Verlagsgruppen vorgegebenen erschwerenden Lizenzbedingungen verdeutlichen erneut, dass Bibliotheken ohne gesetzlich geregelte Grundlagen wenig Chancen haben, ihre öffentlichen Aufgaben im Zusammenhang mit dem Verleih von E-Books zu fairen Bedingungen wahrnehmen zu können. So kann gerade angesichts der digitalen Welt der umfassende und freie Zugang zu Informationen nicht mehr gewährleistet werden.

Ohne entsprechende Rechtsgrundlagen, die der dbv bereits seit 2012 fordert, können – so wie in diesem Fall geschehen – Lizenzbedingungen von Verlagsseite einseitig diktiert werden. Bibliotheken müssen nun im Rahmen ihres Bestandsmanagements individuell entscheiden, ob sie diese teuren und restriktiven Lizenzen für ihre Kundinnen und Kunden erwerben wollen und können, oder die E-Books dieser Verlagsgruppen weiterhin nicht zur Verfügung stellen, damit aber ihrem Informationsauftrag nicht in vollem Umfang gerecht werden.

Daher ist leider festzuhalten, dass die in einer Pressemitteilung vom 10.03.2015 geäußerte Erwartung von Staatsministerin Prof. Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, hinsichtlich einer fairen Lösung im Wege der Selbstregulierung nicht erfüllt wurde. Es sollte von gesetzgeberischer Seite bedacht werden, dass die Lizenzbedingungen dieser beiden Verlage auch auf andere Verlage ausstrahlen könnte.

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom Dezember 2013 ist verankert, dass die Regierung in dieser Legislaturperiode prüfen wird, „ob den Öffentlichen Bibliotheken gesetzlich das Recht eingeräumt werden sollte, elektronische Bücher zu lizenzieren.“

Wir fordern den politischen Gesetzgeber dringend auf, diese Prüfung vorzunehmen und gesetzliche Regelungen für den Verleih von E-Books in Öffentlichen Bibliotheken zu schaffen.

Bei Fragen oder für weitere Informationen können Sie sich gerne an Frau Schleihagen, Bundesgeschäftsführerin, oder Frau Reip, Referentin für Politische Kommunikation, in unserer Bundesgeschäftsstelle wenden: 030/644 98 99 12/22, schleihagen@bibliotheksverband.de und reip@bibliotheksverband.de.

Mit freundlichen Grüßen

Barbara Lison

Bundesvorsitzende

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