Ende Mai / Anfang Juni trafen sich 3652 Bibliothekarinnen und Bibliothekare zum 106. Deutsche Bibliothekartag in Frankfurt am Main. Auf dieser jährlichen Tagung geht es um die Entwicklungen im öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliothekswesen, die Ausrichtung der zukünftigen Angebote.
Einer der Themenschwerpunkt in diesem Jahr war die Revision des Urheberrechtes, die besonders den wissenachaftlichen Bibliotheken auf den Nägeln brennt - denn auch hier wurde die Gesetzgebung längst von der digitalen Praxis überholt. Und zwischen Verlagen und Bibliotheken ist ein heftiger Streit um die Neugestaltung entbrannt, in dem es um die Freiheit von Lehre und Forschung, aber auch die nicht zuletzt finanziellen Interessen der Urheber geht. Ergebnis der Diskussionen auf dem Kongress ist der folgende Appell der Bibliothekarinnen und Bibliothekare:
Frankfurter Appell für ein zeitgemäßes Urheberrecht
Im Juni steht im Bundestag die zweite und dritte Lesung des
sogenannten Urheberrechts-Wissenschaftsgesellschafts-Gesetzes an.
Bibliothekarinnen und Bibliothekare erwarten die Verabschiedung eines
neuen zeitgemäßen Urheberrechts für die Wissenschaft, wie es im
Koalitionsvertrag der Bundesregierung 2013 angekündigt wurde. Mit Sorge
sehen sie, dass nach dem positiven Votum des Bundesrats für den
Regierungsentwurf der Übergang zu einem wissenschaftsfreundlichen
Urheberrecht durch einzelne Verlage und Medien unangemessen dramatisiert
wird. Die Kritik, dass das neue Gesetz kleine Verlage benachteilige,
ist ungerechtfertigt.
Die durch den Gesetzentwurf vorgesehenen Vereinfachungen und die
Präzisierungen schaffen Rechtssicherheit und ermöglichen in vielen
Fällen erst wissenschaftliches Arbeiten. Insbesondere der Einsatz
gedruckter Bücher, Zeitschriften und Zeitungen in der digitalen
Forschung und Lehre wäre gewährleistet, ohne dass dies zu einem
unangemessenen Verwaltungsaufwand führt. Besonders wichtig sind die
Regelungen für neue Methoden der geisteswissenschaftlichen Forschung wie
das sogenannte Text- und Datamining, aber auch die Präzisierung der
Regelungen für digitale Leseplätze in Bibliotheken und für elektronische
Semesterapparate in Hochschulen.
Hinsichtlich des letzten Punktes haben die Unklarheiten der
bisherigen Regelungen Ende des letzten Jahres fast zu einer Einstellung
jener für die Hochschullehre unverzichtbaren Semesterapparate geführt.
Bereits jetzt sind viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
verunsichert, ob sie weiterhin Scans aus gedruckten Büchern für
Studierende auf Lernplattformen bereitstellen können. Alternativ weichen
sie aktuell auf selbsterstelltes Material oder auf technische
Möglichkeiten außerhalb der Hochschulen aus. Ein Vorrang von
Verlagsangeboten oder eine einzelfallbezogene Vergütung machen die
Nutzung von gedrucktem Material unattraktiv. Nicht durch das neue
Urheberrecht, sondern durch bürokratische Regelungen erleiden Verlage im
wissenschaftlichen Umfeld einen Wettbewerbsnachteil.
In einem neuen Urheberrecht sollten Lösungen, die sich
jahrzehntelanger Praxis bewährt haben, unbedingt erhalten bleiben. Wenn
etwa künftig vor jedem Fernleihvorgang eine vorrangige vertragliche
Regelung juristisch geprüft werden müsste, wäre auch diese traditionelle
Dienstleistung gefährdet und die Abhängigkeit von den Lizenzen großer
Verlage würde noch weiter zunehmen.
Bibliothekarinnen und Bibliothekare begrüßen die im Regierungsentwurf
geschaffene Möglichkeit, dass die deutsche Nationalbibliothek ein
öffentlich zugängliches Archiv freier Online-Quellen anbieten kann, die
anderweitig nicht dauerhaft zugänglich sind. Sie setzen sich für die
Vielfalt der Verlagslandschaft ein und erwarten von einem neuen
Urheberrecht klare und verständliche Regelungen, die in der Praxis auch
umsetzbar sind.