Mittwoch, 21. Juni 2017

Bibliotheken und Urheberrecht

Ende Mai / Anfang Juni trafen sich 3652 Bibliothekarinnen und Bibliothekare zum 106. Deutsche Bibliothekartag in Frankfurt am Main. Auf dieser jährlichen Tagung geht es um die Entwicklungen im öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliothekswesen, die Ausrichtung der zukünftigen Angebote.

Einer der Themenschwerpunkt in diesem Jahr war die Revision des Urheberrechtes, die besonders den wissenachaftlichen Bibliotheken auf den Nägeln brennt - denn auch hier wurde die Gesetzgebung längst von der digitalen Praxis überholt. Und zwischen Verlagen und Bibliotheken ist ein heftiger Streit um die Neugestaltung entbrannt, in dem es um die Freiheit von Lehre und Forschung, aber auch die nicht zuletzt finanziellen Interessen der Urheber geht. Ergebnis der Diskussionen auf dem Kongress ist der folgende Appell der Bibliothekarinnen und Bibliothekare:

Frankfurter Appell für ein zeitgemäßes Urheberrecht

Im Juni steht im Bundestag die zweite und dritte Lesung des sogenannten Urheberrechts-Wissenschaftsgesellschafts-Gesetzes an. Bibliothekarinnen und Bibliothekare erwarten die Verabschiedung eines neuen zeitgemäßen Urheberrechts für die Wissenschaft, wie es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung 2013 angekündigt wurde. Mit Sorge sehen sie, dass nach dem positiven Votum des Bundesrats für den Regierungsentwurf der Übergang zu einem wissenschaftsfreundlichen Urheberrecht durch einzelne Verlage und Medien unangemessen dramatisiert wird. Die Kritik, dass das neue Gesetz kleine Verlage benachteilige, ist ungerechtfertigt.
Die durch den Gesetzentwurf vorgesehenen Vereinfachungen und die Präzisierungen schaffen Rechtssicherheit und ermöglichen in vielen Fällen erst wissenschaftliches Arbeiten. Insbesondere der Einsatz gedruckter Bücher, Zeitschriften und Zeitungen in der digitalen Forschung und Lehre wäre gewährleistet, ohne dass dies zu einem unangemessenen Verwaltungsaufwand führt. Besonders wichtig sind die Regelungen für neue Methoden der geisteswissenschaftlichen Forschung wie das sogenannte Text- und Datamining, aber auch die Präzisierung der Regelungen für digitale Leseplätze in Bibliotheken und für elektronische Semesterapparate in Hochschulen.
Hinsichtlich des letzten Punktes haben die Unklarheiten der bisherigen Regelungen Ende des letzten Jahres fast zu einer Einstellung jener für die Hochschullehre unverzichtbaren Semesterapparate geführt. Bereits jetzt sind viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verunsichert, ob sie weiterhin Scans aus gedruckten Büchern für Studierende auf Lernplattformen bereitstellen können. Alternativ weichen sie aktuell auf selbsterstelltes Material oder auf technische Möglichkeiten außerhalb der Hochschulen aus. Ein Vorrang von Verlagsangeboten oder eine einzelfallbezogene Vergütung machen die Nutzung von gedrucktem Material unattraktiv. Nicht durch das neue Urheberrecht, sondern durch bürokratische Regelungen erleiden Verlage im wissenschaftlichen Umfeld einen Wettbewerbsnachteil.
In einem neuen Urheberrecht sollten Lösungen, die sich jahrzehntelanger Praxis bewährt haben, unbedingt erhalten bleiben. Wenn etwa künftig vor jedem Fernleihvorgang eine vorrangige vertragliche Regelung juristisch geprüft werden müsste, wäre auch diese traditionelle Dienstleistung gefährdet und die Abhängigkeit von den Lizenzen großer Verlage würde noch weiter zunehmen.
Bibliothekarinnen und Bibliothekare begrüßen die im Regierungsentwurf geschaffene Möglichkeit, dass die deutsche Nationalbibliothek ein öffentlich zugängliches Archiv freier Online-Quellen anbieten kann, die anderweitig nicht dauerhaft zugänglich sind. Sie setzen sich für die Vielfalt der Verlagslandschaft ein und erwarten von einem neuen Urheberrecht klare und verständliche Regelungen, die in der Praxis auch umsetzbar sind.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Um die Pflichten der DSGVO so weit wie möglich zu erfüllen, können wir leider keine Kommentare von Nicht-Mitgliedern des Blogs zulassen. Eine andere Möglichkeit gibt es mit diesem Foren-System leider nicht. Wir bitten um Verständnis.

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.